Wissensvermittlung und Wissenschaftskommunikation gegen Polarisierung und Desinformation
- Keynote (Ω)
Gilles Marchand | Universität Genf
Unsere heutigen liberalen Gesellschaften durchlaufen schnelle und tiefgreifende Veränderungen – technologischer, ökologischer, geopolitischer und kultureller Art. Diese Umbrüche stellen unsere Gesellschaften vor zwei große Herausforderungen: Zum einen den sozialen Zusammenhalt zu bewahren zwischen Individuen, die weniger durch gemeinsame Räume und Institutionen verbunden sind als durch Gefühle, identitätsstiftende Merkmale oder digitale Gemeinschaften. Zum anderen gilt es, rationale Herangehensweisen zu erhalten, die Zeit und Kompromissbereitschaft erfordern.
Die individuelle Freiheit und der öffentliche Diskurs brauchen zugängliche, geprüfte und fundierte Informationen – Informationen, die zum Verständnis von Geschichte, Wissenschaft, der Komplexität der Welt, politischen Herausforderungen, Ereignissen, Fakten und Zahlen beitragen. Unwissen ist das Gegenteil von Demokratie.
Doch Digitalisierung, soziale Netzwerke und Künstliche Intelligenz setzen die Informationsberufe unter Druck, entwerten traditionelle Medien, zerstören deren Publikum und Geschäftsmodelle.
Noch nie war Massenmanipulation so einfach und wirkungsvoll. Noch nie war Desinformation so gefährlich. In Zukunft wird das Schicksal der Demokratien davon abhängen, ob sie in der Lage sind, hochwertige Informationen zu produzieren und zu verbreiten – Informationen, die lebendige, dichte, aber stets sachlich fundierte Debatten ermöglichen.
In diesem Kontext hat die Wissenschaft die Pflicht, sich verständlich zu machen, Wissen so zu vermitteln, dass es die Öffentlichkeit erreicht.
Wissenschaftliche Institutionen müssen sich ohne Vorbehalte engagieren und ihre Kompetenzen in der Wissensvermittlung weiterentwickeln. Sie müssen zu aktiven Akteuren werden und sich nicht länger darauf beschränken, als Zuschauerinnen die mehr oder weniger gelungene Weiterverwendung ihrer Arbeit zu beobachten.
- Datum
- Zeit
- –
- Ort
- Atrium
Gilles Marchand
Gilles Marchand war von 2017 bis Ende 2024 Generaldirektor der SRG SSR.
Zuvor war er Direktor der TSR (Télévision Suisse Romande). Im Jahr 2010 übernahm er die Leitung der RTS (Radio Télévision Suisse), nachdem er Radio und Fernsehen der Westschweiz zu einem einzigen Unternehmen fusioniert hatte.
Darüber hinaus hatte Gilles Marchand verschiedene Mandate in Verwaltungsräten und Institutionen inne, darunter TV5 Monde, die Europäische Rundfunkunion (EBU) und die Universität Genf. Von 2013 bis 2017 war er zudem Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission.
Seine berufliche Laufbahn begann Gilles Marchand 1985 im Buchverlagswesen. Anschließend wechselte er zur Tribune de Genève und später, im Jahr 1992, zu Ringier Romandie, dessen Leitung er von 1998 bis 2001 innehatte.
Zwischen 1990 und 2000 engagierte sich Gilles Marchand aktiv in der World Association of Newspapers (WAN) in Paris und leitete zahlreiche Trainingsprogramme für unabhängige Verlage in Afrika und Osteuropa.
Gilles Marchand wurde 1962 in Lausanne geboren und besitzt einen Master-Abschluss in Soziologie der Universität Genf.
